Der Ortsteil (Stadt Kindelbrück) ist der größte Ortsteil der Landgemeinde Kindelbrück und der Sitz der gleichnamigen Verwaltungsgemeinschaft. Die Landgemeinde Kindelbrück liegt am Nordrand des Thüringer Beckens, etwa 8 km südwestlich der zwischen den bewaldeten Muschelkalkhöhenzügen Hainleite und Schmücke gelegenen Thüringer Pforte entfernt, in stark welliger bis schwach hügeliger Umgebung.
Schon die alte Handelsstraße von Augsburg über Erfurt zu den Hansestädten führte durch Kindelbrück und die daraus in unserem Gebiet entstandene Bundesstraße B 86 verläuft noch jetzt mitten durch Kindelbrück und teilt die Stadt in die Oberstadt und Unterstadt.
Die Gemarkung Kindelbrück umfasst etwa 1.300 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Berühmt wurde Kindelbrück vor allem durch das Obstanbaugebiet, eines der größten in Thüringen. Der Boden und das Klima in der Gemarkung Kindelbrück eignen sich zum Anbau aller anspruchsvollen Feldfrüchte. Der Flurteil "Die Weinberge" erinnert an den Anbau der Weinrebe und die "Waidgartenstraße" an den Waidanbau in der Gemarkung Kindelbrück in vergangener Zeit. Auch sonst bietet Kindelbrück einiges zu sehen. Da wären zum Beispiel die Stadttore, das Gründelsloch und vieles andere Geschichtliche.
Entstehung Kindelbrücks
In welchem Jahrhundert der Ort Kindelbrück gegründet wurde, ist nicht schriftlich überliefert worden. Dadurch gehört Kindelbrück zu den vielen deutschen Orten, die die Zeit ihrer Entstehung nicht konkret nachweisen, sondern nur hypothetisch aus den historischen Geschehen jener Zeit in unserem Gebiet herleiten können.
Kindelbrücks erste Nennung erfolgte schriftlich als "Kindelbruccun" im Güterverzeichnis des Klosters Hersfeld. Der Abt des Klosters Hersfeld, Lullus, hatte vor 775 von den Mönchen ein Güterverzeichnis anfertigen lassen, in dem die Orte und der dort dem Kloster gehörende Grundbesitz eingetragen sind. In diesem Güterverzeichnis sind etwa 300 deutsche Orte verzeichnet, die wie Kindelbrück ihre erste Nennung dieser Tätigkeit der Mönche verdanken. Die am 05. Januar 775 erfolgte schriftliche Nennung "Kindelbruccuns" sagt aber nur aus, dass "Kindelbruccun" damals bestanden hat, nennt aber nicht die Zeit der Entstehung. Wenn das Kloster 775 in "Kindelbruccun" und Griefstedt 7 Hufen und 4 Mansen Grundbesitz hatte, das sind etwa 330 Morgen, so wird damals "Kindelbruccun" nicht nur aus einigen Häusern bestanden haben. Das Jahr 775 kann wahrscheinlich nicht das Gründungsjahr "Kindelbruccuns" sein.
Wie und in welcher Zeit Kindelbrück entstanden ist, wird wohl nicht nachgewiesen werden können. Aus den historischen Geschehen in jener Zeit in unserem Gebiet soll nun die Beschreibung der wahrscheinlichen Entstehung der Brückensiedlung "Kindelbruccun" hergeleitet werden, die sich um 550, jedenfalls nach 531 und etwa 570 vollzogen haben kann. 531 hatten die machtgierigen Franken und ihre verbündeten Sachsen das große Reich der Thüringer besiegt. Zum Vorstoß in dieses ehemalige thüringische Gebiet haben die Franken eine Brücke über die Wipper gebaut, und so konnten sie, ohne die natürlichen und größeren Hindernisse der Hainleite oder Schmücke überwinden zu müssen, mühelos durch die Thüringer Pforte nach Norden vorstoßen. Nun ist es denkbar, dass die beim Bau der Brücke Beschäftigten hier angesiedelt wurden oder sich ansiedelten um als Hufen- oder Mansenbauern das Land zu bearbeiten und durch Rodung mehr Ackerland zu gewinnen.
Enstehung des Namens "Kindelbrück"
Vielen Namen liegen Geschehnisse zu Grunde, aber auch Vorstellungen, Personennamen und Besitz fanden und finden bei der Bildung eines Namens Verwendung. In der Vergangenheit bildete auch die Sage für die Entstehung vieler Ortsnamen eine besondere Rolle. Unser Ortsname "Kindelbrück" ist zusammengesetzt aus dem Grundwort "brück" und dem Bestimmungswort "Kindel". Das Grundwort "brück" besagt, dass der Ort nach einem Fluss- oder Talübergang, nach einer Brücke benannt worden ist und für das Bestimmungswort "Kindel" gibt es sogar mehrere Erklärungen. Die wohl älteste Erklärung für die Entstehung des Ortsnamens "Kindelbrück" ist die Sage, nach der zwei Knaben auf Steckenpferden auf der Wipperbrücke spielten, gegeneinander ritten, kämpften wie im Turnier und so vertieft in ihr Spiel waren, dass sie in die Wipper gefallen und ertrunken sind. Danach soll der Ortsname "Kinderbrücken" entstanden sein, der dann zu "Kindelbrück" abgewandelt wurde.
Eine andere Erklärung für das Bestimmungswort "Kindel" ist die Ableitung von einem Fährmann "Chintila". Demnach musste sich an geeigneter Stelle an der Wipper ein Fährmann "Chintila" angesiedelt haben, der die Überschreitung der Wipper an dieser Stelle ermöglichte. Ein solcher Fährmann musste dann aber hier schon vor dem Bau der Brücke sesshaft gewesen sein, denn nach dem Bau der Brücke über die Wipper war ein Fährmann an dieser Stelle überflüssig.
Für die Entstehung des Bestimmungswortes "Kindel" im Ortsnamen Kindelbrück ist wohl die Erklärung der Ortsnamenforschung zutreffend, nach der "Kindel" eine Abwandlung von "König" ist, die häufig vorkommt. Woher kam aber das Bestimmungswort "König" in unserem Ortsnamen "Kindelbrück"? Die Franken und Sachsen hatten 531 Thüringen besiegt. Die Franken gliederten den größten Teil Thüringens in ihr großes Frankenreich ein. Bei den Franken war damals das eroberte Thüringer Land "Königsland", das der König zu Reichsgut machen konnte oder auch als Lehengut für bestimmte Staatsdienste vergab, aber auch nach eigenem Ermessen verschenken konnte. Da die um 550 gebaute Brücke über die Wipper auf "Königsland" gebaut worden war und außerdem auch eine strategisch sehr wichtige Brücke war, wird sie anfangs "Königbrücke" genannt worden sein. Diesen Namen wird auch die damalige Brückensiedlung gehabt haben. Durch die fränkischen Soldaten oder durch die Hufen- und Mansenbauern aus dem Moselgebiet wurde aber das Bestimmungswort "König" zu "Kindel" und das Grundwort "brücke" zu "bruccun" aus Königsbrücke abgewandelt, so dass um 775 der Ortsname "Kindelbruccun" aus Königsbrücke entstanden war. Aber auch der Ortsname "Kindelbruccun" blieb nicht bis in unsere Zeit bestehen, sondern die Schreibweise des Ortsnamens wurde besonders bis zum beginnenden 17. Jahrhundert häufig verändert.
Verleihung des Stadtrechts an Kindelbrück
Um 1000 war aus der Brückensiedlung "Kindelbruccun" das stattliche Bauerndorf Kindelbrück entstanden. In den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts begann die Periode der Stadtrechtsverleihung. In dieser Zeit verlieh der Landesherr das Stadtrecht an Dörfer und erhob sie dadurch in die Reihe der bestehenden Städte. Für eine solche Stadtrechtsverleihung musste eine angemessene Gebühr an den Landesherrn gezahlt werden. Die Stadtrechtsverleihung wurde die häufigste Form der Gründung neuer Städte.
Am 12. März 1291 verlieh der Thüringer Landgraf Albrecht II, der Entartete, seinen Bauern im Dorf Kindelbrück das Stadtrecht, das heißt konkreter, das Recht der Stadt Weißensee, die etwa 50 Jahre früher planmäßig neu gebaut worden war. Dieses in ca. 50 Jahren städtischer Entwicklung herausgebildete Recht einer planmäßig gebauten Stadt wurde am 12. März 1291 auf das Bauerndorf Kindelbrück übertragen. In Kindelbrück, einem aus einer Siedlung gewachsenen Bauerndorf mit unregelmäßigen Straßenzügen und Häuserreihen, hatten sich aber damals noch keine städtischen Merkmale wie Handwerk und Handel herausgebildet. Die Stadtrechtsverleihung war damals auch mehr eine wohlgefällige Geste des Landesherrn, eine Form der Wiedergutmachung. Wie es in der Urkunde heißt, hatten die Vögte des Landesherrn ohne sein Wissen von den Bauern im Dorf Kindelbrück über Gebühr Abgaben und Dienste gefordert. Als Entschädigung dafür erhielt das Dorf Kindelbrück das Stadtrecht und wurde damit vom Landesherrn vom Dorf zur Stadt erhoben.
Aber mit der Übergabe der Urkunde wurde ein Dorf nicht zur Stadt. Der Thüringer Landgraf Albrecht II. hatte Kindelbrück auch keine städtischen Privilegien wie Stadtstatut, Marktrecht, Braurecht, Stadtgericht und ähnliches verliehen, sondern er überließ es seinen Kindelbrücker Bauern aus ihrem Dorf eine Stadt zu machen.
Etwa Mitte des 14. Jahrhunderts hatte der Thüringer Landgraf Friedrich Kindelbrück für 2.000 Gulden wiederkäuflich an den Grafen Hermann von Beichlingen verpfändet, der auf der benachbarten Sachsenburg wohnte. Weil dem Grafen Hermann von Beichlingen die Entstehung einer Stadt unmittelbar vor seinen Burgen Sachsenburg und Hakenburg missfiel, wollte er die städtische Entwicklung Kindelbrücks durch hohe Abgaben und Dienste von den Kindelbrückern hemmen. Die Obrigkeit Kindelbrücks bemühte sich durch Bittgesuche an den Grafen Hermann, die Abgaben und Dienste zu mindern. Da das aber ohne Erfolg blieb, wendete sich die Obrigkeit Kindelbrücks an den Landesherrn und bat ihn um Hilfe. Darüber war Graf Hermann sehr verärgert und warb Söldner aus Nordhausen, Erfurt und Mühlhausen, um 1359 Kindelbrück zu überfallen, die Häuser zu geplündert und zu brandschatzen. Als Landgraf Friedrich das vernommen hatte, zog er den Grafen Herrmann zur Verantwortung. Der Graf Hermann und die beim Überfall beteiligten Städte mussten hohes Sühnegeld zahlen, mit dem Kindelbrück aus der Schuldverschreibung gelöst und der verursachte Schaden gemildert werden konnte.
Nach dem Überfall hatten sich in Kindelbrück zahlreiche Handwerker und auch Kaufleute angesiedelt und die handwerkliche Tätigkeit wurde zunehmend vielseitiger. Auch der Handel entfaltete sich und in Kindelbrück war eine deutliche städtische Entwicklung erkennbar.
Am 04. Juni 1372 erneuerten die drei Thüringer Landgrafen Friedrich, Wilhelm und Baltasar der Stadt Kindelbrück das von ihren Vorfahren verliehene Stadtrecht. Sie förderten die städtische Entwicklung Kindelbrücks auch durch die Verleihung städtischer Privilegien, wie städtischer Statuten, Marktrecht, Stadtgericht, Braurecht und andere. Es war damals üblich, den Städten, die sich nicht zügig entwickelten, das schon verliehene Stadtrecht sogar mehrmals zu erneuern und durch Verleihung geeigneter Privilegien die städtische Entwicklung zu fördern. Obwohl im 17. und 18. Jahrhundert fast in jedem zweiten Haushalt ein selbstständiger Handwerker tätig war, entwickelte Kindelbrück sich nicht zur größeren Stadt. Kein Handwerker entwickelte aus seiner Werkstatt einen größeren Produktionsbetrieb. Die Entwicklung zur größeren Stadt hat sich in Kindelbrück nicht vollzogen.
Die Stadtmauer
Durch die Stadtmauer erhält ein Ort nicht nur ein städtisches Aussehen nach außen, sondern sie gewährleistet auch einen wirksamen Schutz gegen äußere Angriffe. Im Allgemeinen waren die Städte bemüht, ihre Mauern so schnell wie möglich zu errichten. Die Stadtväter unseres Ortes hatten es aber mit dem Bau ihrer Mauer nicht so eilig, sondern gaben etwa 200 Jahre lang anderen Bauvorhaben den Vorrang. Da das ständige Verzögern des Baues der Stadtmauer auch dem Landesherrn Herzog Georg von Sachsen missfiel, erteilte er den Kindelbrückern den strengen Befehl unverzüglich ihre Mauer zu bauen. Mit dem Bau wurde 1508 begonnen, Baumeister war Nikel Krantz aus Frankenhausen.
Zuerst wurde sie um die Kirche St. Ilgen und den davor liegenden Friedhof gebaut und danach um die ganze Stadt. Sie hat einen fast rechteckigen Grundriss mit etwa 800 m Länge und 600 m Breite. Die Höhe hat ursprünglich 4 m betragen mit zwei Reihen Schießscharten. Vom Boden her ist die Mauer innen bis zur reichlichen halben Höhe so breit verstärkt, dass darauf die Verteidiger an den oberen Schießscharten laufen, stehen bzw. schießen konnten. Die Mauer hatte drei vorgebaute Türme, durch die das Rechteckt ausgebuchtet ist. Durch diese vorgebauten Türme konnte die Stadt bei einem Angriff wirksamer verteidigt werden. Der Zugang zur Stadt erfolgte durch vier Stadttore und zwar durch das Weißenseer Tor an der Südseite, das Frankenhäuser Tor im Norden, das Obertor im Nordwesten und das Pfortentor im Südosten. Alle vier Tore hatten einen Überbau, der als Wachstube genutzt wurde. Unmittelbar am Weißenseer Tor war auch die Wohnung des Torhüters. Die vier Tore wurden abends geschlossen und danach konnten nur noch die Personen passieren, die sich redlich ausweisen konnten.
Wenn die Kindelbrücker Stadtmauer auch einen zahlenmäßig großen Angreifer kaum Stand halten konnte, so wurden doch besonders im 30-Jährigen und auch im 7-Jährigen Krieg mehrmals kleinere Angriffe von umherziehenden und plündernden Soldaten und besonders Marodeuren hinter der schützenden Stadtmauer erfolgreich abgewehrt. Die Kindelbrücker Stadtmauer gehört zu den wenigen Stadtmauern in Deutschland, die noch heute fast vollständig erhalten ist und steht unter Denkmalschutz.
Der Rathausturm
1589 wurde der Rathausturm gebaut. Bis zu dieser Zeit war das Rathaus turmlos. In diesen Turm baute 1589 ein Uhrmachermeister die Stadtuhr ein. Es war ein sonderbares Uhrwerk, weil es einen Sensenmann und eine Mondkugel hatte. Der Sensenmann öffnete zu Beginn der letzten Stunde des Tages sein Türlein mit der Inschrift "Dies ist die letzte Stunde" und die Mondkugel zeigt die Mondphasen an.
(Autoren: O. Günther, SR. Dr. W. Heyne, W. Karnett, H. Stöpel)